Mindener Stadtrecht für Lübbecke
Bischof Volkwin von Minden privilegiert Lübbecke am 30. Januar 1279
Von Dr. Monika M. Schulte
Am 30. Januar 1279, vor 725 Jahren, erhebt der Mindener Bischof Volkwin (1275 - 1293) Lübbecke zur Stadt. Gleichzeitig verspricht er allen Unfreien, die nach Lübbecke ziehen und dort bleiben, die persönliche Freiheit.
Stadtrechtsprivilegien setzten die Landesherren des Mittelalters, hier
der Mindener Bischof Volkwin als Landesherr des Bistums Minden, als Instrument
zum Auf- und Ausbau ihrer Landesherrschaft ein: Geistliche und weltliche Fürsten
wetteiferten geradezu darin, bestimmte Orte in ihren Landen mit besonderen
Rechten für Eingesessene und Zugewanderte auszustatten: So wurden für das
Territorium strategisch wichtige und wirtschaftlich interessante Landesteile
besiedelt.
Städte mit ihren Bürgerschaften, ihrer Selbstverwaltung und ihrer
Wirtschaftskraft waren Magneten für die Menschen aus dem Umland. Durch das
Versprechen, die Unfreiheit abschütteln und die Freiheit gewinnen zu können,
wurde der Zuzug in bestimmte Städte noch attraktiver. Meist war eine Frist
gesetzt - oft ein Jahr und ein Tag -, die vergehen musste, bevor aus einem
unfreien Menschen ein freier Mensch werden konnte. So entstand die bekannte
Redewendung "Stadtluft macht frei!"
Bischof Volkwin begabte Lübbecke mit einem Stadtrecht. Aber war es das Mindener Stadtrecht? In der von ihm ausgestellten Urkunde, die leider nicht mehr als Ausfertigung, sondern nur noch als Abschrift überliefert ist, wird das nicht ausdrücklich betont. Offensichtlich war es zu selbstverständlich. Denn die Indizien sprechen dafür, dass Lübbecke das Mindener Recht erhielt.
Minden hatte sein Stadtrecht von der westfälischen Reichsstadt Dortmund erhalten: Über den Akt der Bewidmung liegt allerdings keine Urkunde vor. Aber anlässlich von Problemen in der Auslegung des Mindener Stadtrechts wird deutlich, dass Minden von dort her sein Recht bezog. Denn immer, wenn es in der Spitze der Stadt, im Rat, zu Unklarheiten im Urteil über vor den Rat gebrachte Rechtsstreitigkeiten kam, wurde der Rat der Stadt Dortmund um eine Rechtsweisung ersucht. Die Dortmunder Antworten auf die Bitten um Auslegung des Rechts wurden dann vom Stadtschreiber fein säuberlich in die Mindener Stadtbücher eingetragen.
Dortmund galt aber auch als Oberhof in puncto Rechtsprechung: Der Dortmunder
Rat war Appellationsinstanz in allen Sachen, die vor den Mindener Rat gebracht,
dort verhandelt, auch entschieden, aber nicht akzeptiert wurden. Besondere
Berühmtheit erlangten die Schreiben, die während der Mindener Schicht von 1405 /
08 gewechselt wurden: Der Dortmunder Rat wurde von den heftigst miteinander
zerstrittenen Mindener Ratsparteien mehrfach mit der Bitte um Klärung des
Verfassungskonflikts angegangen. Weil der Dortmunder Rat den eskalierten Streit
nicht schlichten konnte, schaltete sich schließlich König Ruprecht I.
(1400-1410) ein.
Das zu einem unbekannten Zeitpunkt der Stadt Minden verliehene Dortmunder Recht wird schließlich zusammen mit den vor Ort erfolgten individuellen, auf die besonderen Mindener Bedürfnisse zugeschnittenen neuen Rechtssätzen am 6. Juni 1284 an "Repolthusen" (Holzhausen bei Stolzenau) weiter gegeben: Bischof Volkwin schenkt dem "oppido nostro novello in Repholthusen" und seinen Einwohnern die Freiheit, derer sich bereits die Mindener Bürger erfreuen. Vermerkt wird ausdrücklich, dass sich die Einwohner von "Repolthusen" in zweifelhaften Fragen der Stadtrechtsauslegung an die Mindener Bürger wenden sollen.
Nur ein Jahr später, am 24. August 1285, bestätigt der Mindener Rat - ohne seinen bischöflichen Stadtherrn hinzuzuziehen - dem Rat der Stadt Hannover, dass die Bürger der Stadt Hannover ihr Recht seit alten Zeiten bis auf den heutigen Tag "a nostra civitate Mindensi", also von unserer Stadt Minden, haben.
So ist nicht nur zu vermuten, sondern zu erwarten, dass auch Lübbecke das
Mindener Stadtrecht erhielt. Und ein weiteres Indiz spricht dafür: Während das
von den Mindenern übernommene Dortmunder Stadtrecht - wie übrigens die meisten
deutschen Stadtrechte - zwei Bürgermeister an der Spitze des Rates kennt, gibt
es in Minden nach hier geltendem Recht nur einen einzigen Bürgermeister: Eine
eigenwillige Mindener Besonderheit! Und genau diese Besonderheit lässt sich auch
für Hannover und Lübbecke feststellen.