Verkaufsverbot
Verbot zum Verkauf von mit Schmackfarbe gefärbten Tüchern und Laken auf dem Mindener Freimarkt 1615
Von Dr. Monika M. Schulte
Zweimal im Jahr wird die Mindener Messe gefeiert. Um so interessanter ist ein Rückblick auf den Mindener Freimarkt des Jahres 1615. Am 10. Mai erlassen Bürgermeister und Rat der Stadt Minden ein Verbot: Sie verbieten den Verkauf von Tüchern und Laken, die mit einer bestimmten Farbe gefärbt sind. Das ist in alten Schriften, die im Kommunalarchiv Minden aufbewahrt werden, dokumentiert.
Bürgermeister und Rat der Stadt Minden haben laut Schriftstück vom 10. Mai 1615 (links) in Erfahrung gebracht, dass es einige Kaufleute gibt, die bestimmte, unerlaubte Stoffe auf dem Jahrmarkt, dem Freimarkt, verkaufen. Bei ihrer Ware handelt es sich um "Tucher oder Laken", die "mit der verbottenen und untauglichen farbe", der "Schmackfarbe", gefärbt sind.
Und umgehend wird der Verkauf dieser Tücher mit Nachdruck verboten. Die so
gefärbten Stoffe sind umgehend zu konfiszieren. Was aber war am Verkauf von mit
Schmack gefärbtem Tuch so skandalös?
Schmack ist der Name des Färber- oder
Gerberbaums. Wie der Name andeutet, wurden Teile des Strauchs – nämlich
zerstoßene Blätter und Schösslinge – zum Gerben von Leder verwendet. Der Schmack
oder auch Sumach war ursprünglich in Nordamerika beheimatet. Nach der Entdeckung
Amerikas, der Neuen Welt, hatte er offensichtlich seinen Weg in die Alte Welt,
nach Europa, gefunden. Er enthält eine milchig-weiße Flüssigkeit, die an der
Luft – also durch Oxidation – schlagartig schwarz wird. Diese besondere
Eigenschaft der Pflanze wurde vom Menschen nutzbar gemacht: Der Schmack wurde
zum Schwarzfärben eingesetzt. Weswegen aber wurden mit Schmack gefärbte Stoffe
1615 im wahrsten Sinne des Wortes vom Markt genommen?
Heute ist bekannt, dass etwa 70% aller Menschen mit Hautallergien auf den direkten Kontakt mit Schmack reagieren. Das wird im 17. Jahrhundert kaum anders gewesen sein, denn der Mindener Rat sieht akuten Handlungsbedarf und handelt prompt, auch wenn er die Gründe für sein Handeln nicht ausdrücklich nennt. Bürgermeister und Rat kommen also ihrer gesundheitspolizeilichen Aufsichtspflicht nach, indem sie gesundheitsschädliche Kleiderstoffe vom Verkauf auf dem Jahrmarkt ausschließen.
Um ganz sicher zu gehen, dass die gesundheitsschädigenden Substanzen der
Mindener Bürgerschaft nicht unter die Haut gehen, sollen die fraglichen Tuche
konfisziert werden. Und vernichtet werden? Diese Frage ist sehr der heutigen
Zeit, unserem heutigen Verhalten verhaftet. 1615 wurde diese Frage gar nicht
gestellt: Was also geschah damals mit dem konfiszierten Tuch, das mit Schmack
gefärbt worden war? Bürgermeister und Rat bestimmen, dass es "at miserabiles
personas", für arme, bedürftige Menschen, verwendet werden soll. Darum, dass
auch diese wie alle anderen Menschen an Hautausschlägen leiden könnten, machte
man sich keine Gedanken. Wichtig war nur, dass die eigene Bürgerschaft vor
Schaden bewahrt wurde.