Steine und weiße Rosen für die Opfer des Nationalsozialismus


Mit einer Veranstaltung in der Petri-Kirche und einem anschließenden gemeinsamen Gedenken am Mahnmal vor dem Stadttheater haben rund 100 Mindener*innen – darunter zahlreiche Schülerinnen und Schüler – am gestrigen Donnerstag an die Opfer des Holocausts erinnert. Der 27. Januar ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1996 der "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus". Das Datum erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee im Jahr 1945. Millionen Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und politische Gegner des NS-Regimes fanden in den Lagern des nationalsozialistischen Terrorregimes von 1933 bis 1945 den Tod.

Bürgermeister Michael Jäcke erinnerte im Beisein von Landrätin Anna Katharina Bölling und der Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Minden (GCJZ), Nina Pape, an die lange Geschichte der Juden der Minden, die seit der 13. Jahrhundert geschichtlich belegt ist. Auch die Mindener Synagoge wurde 1938 in der Reichspogromnacht in Brand gesetzt und vollständig zerstört. 14 alte Thorarollen und diverse Kultgeräte wurden dabei vernichtet, so Jäcke. Fast alle Mindener Juden, die nicht ins Ausland geflüchtet waren, wurden deportiert und fanden in den Lagern den Tod. Rund 1.300 Familien waren betroffen. Die knapp 100 in der Innenstadt verlegten „Stolpersteine“ erinnern an diese Schicksale und „die grausame Geschichte“, so Jäcke.

Er nahm auch Bezug auf die „Wannseekonferenz“ vor 80 Jahren, die das Ziel hatte, einen Plan festzulegen, wie die Deportationen und die Vernichtung der Juden aus westeuropäischen Ländern realisiert werden sollten und dort auch die Zusammenarbeit der beteiligten Instanzen zu koordinieren. „Eiskalt“ sei über die systematische Vernichtung von Millionen Menschen gesprochen worden, so Bürgermeister Jäcke, der sich die jüngste TV-Verfilmung angesehen hat. Er ging in seiner Rede auch auf den zunehmenden Antisemitismus und Anschläge auf Jüdinnen und Juden ein. „Ich möchte nicht, dass ständig ein Polizeiwagen vor der Mindener Synagoge steht. Ich möchte, dass keine und keiner Angst haben muss und wir alle friedlich in unserer Stadt zusammenleben“, so Jäcke abschließend.  

Nina Pape, Vorsitzende der GCJZ in Minden, erinnerte an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 77 Jahren. Es gelte als Symbol für das industrielle Töten jüdischer Menschen durch die Deutschen. Auch Pape griff die Bewachung von Synagogen und die erhöhte notwendige Sicherheit für jüdische Mitbürger*innen auf. Selbst israelische Jugendliche könnten nicht mehr frei reisen und seien auf bewaffnetes Sicherheitspersonal bei Gruppenfahrten angewiesen. „Das ist also die Lebensrealität jüdischer Jugendlicher rund 70 Jahre nach der Befreiung?“, merkte sie kritisch an.

Scharf verurteilte Pape den „Spaziergang“ zum Haus der Landrätin Anfang Januar 2022, die von einem rechtsgerichteten Teilnehmer „Gau-Leiterin“ genannt wurde. „Wir sehen, dass das  Gedankengut nicht verschwunden ist. Es war nie weg. Lasst es nicht größer werden“, mahnte sie und sprach damit die Teilnehmer*innen des diesjährigen Gedenkens  an. Nina Pape, Michael Jäcke und Anna Katharina Bölling platzierten im Anschluss einen Stein auf dem Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – einer jüdischen Tradition, so die Toten zu ehren, folgend. Alle übrigen Teilnehmer*innen legten schweigend eine weiße Rose auf der 1988 von Joachim Bandau geschaffenen Skulptur zur Erinnerung an die Opfer ab.

Auch in diesem Jahr gestalteten Schülerinnen und Schüler des Besselgymnasiums, des Herder-Gymnasiums, der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule, des Ratsgymnasiums sowie des Weser-Kollegs ein gemeinsames Gedenken an Mindener Opfer des Nationalsozialismus in der Petri-Kirche. Unterstützt wird die Gedenkveranstaltung jedes Jahr auch durch den Arbeitskreis Stolpersteine, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., den Ev. Kirchenkreis Minden, das Kommunalarchiv Minden, den Mindener Geschichtsverein e.V., den Verein Minden – Für Demokratie und Vielfalt e.V. sowie die Stadt Minden.

Pressestelle der Stadt Minden, Susann Lewerenz, Telefon 0571 89204, pressestelle@minden.de