Nachhaltige Stadt Minden
Nachhaltigkeit braucht die aktive Beteiligung der Gesellschaft, der Kommunen und Landkreise. Nur so können wir erfolgreich sein. Denn Nachhaltigkeitspolitik findet vor Ort in den Kommunen statt und fördert damit eine resiliente Stadtentwicklung.
Resolution zur Agenda 2030
Am 25. September 2015 verabschiedeten die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf einem Gipfeltreffen in New York die Agenda 2030 mit den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Mit ihr haben die Regierungen den globalen Rahmen für die Nachhaltigkeitspolitik der kommenden 15 Jahre abgesteckt. Die SDGs sind nicht nur für die nationale und die regionale, sondern auch für die lokale Ebene relevant. Der Deutsche Städtetag ruft Kommunen zur Resolution Agenda 2030 auf. Mit der Resolution können Städte und Kommunen ihre Bereitschaft signalisieren, sich für das Thema Nachhaltigkeit zu engagieren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Zuge hat die Stadtverordnetenversammlung am 30. März 2023 die Resolution Agenda 2030 verabschiedet.
Für die Stadt Minden hat das Thema nachhaltige Entwicklung eine wichtige Bedeutung. Einige Maßnahmen und Projekte der Stadtverwaltung zahlen explizit auf die SDGs ein, wie beispielsweise die Veranstaltungen im Rahmen der Wandeltage oder Projekte der Fairtrade Town Minden. Auch die Neukonzipierung der Stadtstrategie Minden wurde inhaltlich mit der Leipzig Charta als Orientierungsrahmen verzahnt, dessen Grundlage und Prinzipien auf der Agenda 2030 beruhen, dienen der Unterstützung zur Fokussierung der SDGs. Zudem begrüßt der Beirat „Bildung für nachhaltige Entwicklung und kommunaler Entwicklungszusammenarbeit“ die Agenda 2030. Die Mitglieder des Beirates vereinbarten in der 7. Sitzung vom 31.01.2023 die Resolution Agenda 2030 dem Ausschuss für Klima, Umwelt und Verkehr zu empfehlen.
Der Beschluss zur Resolution Agenda 2030 bietet nicht nur eine Richtschnur für das Verwaltungshandelns, sondern nimmt die globale Verantwortung der Stadt Minden an. Die Stadt Minden hilft über ihr Handeln die SDGs in die Zivilgesellschaft zu tragen und die Stadtverordnetenversammlung erklärt ihre Bereitschaft, die Ziele der Agenda 2030 im Sinne einer nachhaltigen und zukunftsgerechten Entwicklung in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen.
Wandeltage - Netzwerk 17plus
Mit den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnten wissen wir: Kommunen sind nach wie vor die zentralen Akteure, um nachhaltiges Handeln in der Gesellschaft fest zu verankern. Das können wir aber nicht allein schaffen. Und da kommen die Mindener*innen ins Spiel, denn wir brauchen ihre Unterstützung, ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Sie kennen die Probleme und Bedürfnisse - gemeinsam können wir flexibel darauf eingehen.
Die Veränderung unserer Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn wir konsequent und gemeinsam diese Aufgabe verfolgen. In diesem Jahr finden vom 25. August bis zum 3. September zum fünften Mal die sogenannten "Wandeltage" - regionale Nachhaltigkeitstage für Minden-Lübbecke und Umgebung statt. Die Wandeltage sind eine Initiative des Nachhaltigkeits-Netzwerks 17plus und werden von unserer Verwaltung unterstützt. Ursprünglich fokussierten sich die Wandeltage auf die Stadt Minden, sodass Bürgermeister Michael Jäcke 2018 und 2020 die Schirmherrschaft übernommen hat. Die Entwicklung der Wandeltage zeigt, dass mittlerweile ein kreis- bzw. landesweites Interesse an dem Projekt besteht, sodass in den letzten Jahren Landrätin Anna Katharina Bölling die Schirmherrschaft für dieses Projekt übernommen hat. Dieses Jahr übernimmt Landrat Ali Dogan die Schirmherrschaft.
Die Wandeltage bieten die Möglichkeit über eine sozial-gerechte und ökologisch nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft nachzudenken sowie die Menschen zu informieren und zu inspirieren. Auf der Wandelkarte können sich Akteur*innen, Unternehmen, Projekte und Initiativen eintragen, wenn Sie – privat, ehrenamtlich oder kommerziell – einen Beitrag zu einer fairen, ökologischen, gemeinwohl-orientierten Gegenwart und Zukunft leisten wollen. Das vorgestellte Angebot kann so von den Menschen in und außerhalb der Region Minden-Lübbecke leichter gefunden werden. Auch über die Wandeltage hinaus bleibt die Wandelkarte bestehen, sodass sie weiterhin als eine Angebotskarte genutzt werden kann, um so Akteure und Angebote zum Thema Nachhaltigkeit sichtbar zu machen. Einen Einblick könnt ihr im Wandeltage Film erhalten.
Wandeltage 2023 - SDG 16 "Gerechtigkeit"
Wie sorgt man für mehr Gerechtigkeit und wie kann z.B. eine gerechte Stadt aussehen? Zu dieser Fragen sind wir im Rahmen der Wandeltage ins Gespräch gekommen. Dabei stand das SDG 16 "Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen" im Mittelpunkt.
Veranstaltungen 2023
- 29.08.2023, 18.30 Uhr im Kulturzentrum BÜZ (Johanniskirchhof 1): Theologie trifft Geschlechtergerechtigkeit - Ein Gespräch zwischen der Gleichstellungbeauftragten Luisa Arndt und dem Mindener Superintendenten Michael Mertins
- 31.08.2023, 18.30 Uhr im Kulturzentrum BÜZ (Johanniskirchhof 1): Justiz trifft soziale Gerechtigkeit - Ein Gespräch zwischen dem Quartiersmanager der Rechten Weserseite Erik Hasse und der Juristin Eva Thiel aus Hamburg
Außerdem ...
- Büchertisch zum Weiterlesen in der Stadtbibliothek (Königswall 99), täglich außer mittwochs 11 bis 18 Uhr und samstags 10 bis 13 Uhr
- 30.08 und 31.08.2023, kostenfreie Kurzführung zum Thema "Geschlechtergerechtigkeit durch archäologische Forschung" im Mindener Museum (Ritterstraße 23-33).
Rückblick 2023 "Kneipengespräche statt Stammtischparolen" - Was ist Gerechtigkeit?
„Gerechtigkeit steckt in der DNA meiner Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte“, sagt Luisa Arndt. Am Dienstag 29. August trifft sie sich zum Kneipengespräch mit Michael Mertins, dem Mindener Superintendenten, zu der Frage „Was ist Gerechtigkeit?“. Eine scheinbar einfache Frage – schließlich hat jede und jeder von uns eine Vorstellung davon, was gerecht ist und was nicht. Doch eine genaue Definition ist gar nicht leicht zu finden.
In zwei kurzen Vorträgen erläutern die beiden Referent*innen, welche Rolle der Begriff Gerechtigkeit in ihrer Arbeit und in ihren Überzeugungen spielt. Sowohl aus feministischer als auch jüdisch-christlicher Perspektive ist Gerechtigkeit eng verbunden mit der Menschenwürde: Wenn alle Menschen, unabhängig von Herkunft, sozialem Status und Geschlecht, ein würdiges Leben führen können, dann ist die Welt gerecht. Gerechtigkeit, betont Michael Mertins, ist aber nichts, was ein einzelner hat, sondern ein gesellschaftliches Gut – ein Zielzustand, auf den man immer wieder hinarbeiten muss. Und zur Gerechtigkeit gehören immer das Recht, das für alle gilt, und die Güte und Barmherzigkeit, die alle zeigen sollten, wenn andere benachteiligt werden und nicht zu ihrem Recht kommen.
Die evangelische Kirche hat seit den 1960er-Jahren viel getan, um Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen. Luisa Arndt sieht noch Baustellen, betont aber auch, dass ein „großer Organismus“ wie die Kirche Veränderungen nur langsam umsetzen kann. Dass sich etwas tut, ist für sie Anlass zur Hoffnung: Wenn sich Kirche verändern kann, dann kann sich alles verändern. Am konkreten Fall zeigen sich die unterschiedlichen Zugänge bei der Bewertung der Jungfrauengeburt: War Maria mit der Empfängnis einverstanden oder handelte es sich um Missbrauch? Der biblische Fall führt zu einer angeregten Diskussion: darüber, ob Gott ein Geschlecht hat, was Consent bedeutet und ob Maria aufgrund des Machtgefälles überhaupt hätte „nein“ sagen können. Das Publikum steigt in die Debatte mit ein.
Auf die Frage, ob sich das Streben nach Gerechtigkeit auch ins Gegenteil verkehren kann, sagen Mertins und Arndt, dass Weltbilder, die auf Gleichstellung und Gerechtigkeit zielen, nicht ungerecht sein können. Sehr wohl können aber einzelne über das Ziel hinausschießen und zu schnell über Gefühle und Meinungen anderen hinweggehen. Das Gespräch, und das zeigen die beiden Teilnehmer*innen an diesem Abend eindrücklich, sollte immer am Anfang stehen.
Das Fazit des Abends: Das Streben nach mehr Gerechtigkeit ist ein Prozess; und Eigeninteressen stehen noch zu oft gerechten Lösungen im Weg. Diese Ansicht teilen auch die Referent*innen des zweiten Kneipengesprächs am 31. August. Die Juristin Eva Thiel und der Quartiersmanager der rechten Weserseite, Erik Hasse, beleuchten an diesem Abend die Frage „Was ist Gerechtigkeit?“ aus rechtlicher und sozialer Perspektive.
„Ein gerechtes Quartier lebt in seiner Vielfalt und berechtigt Menschen je nach ihren Bedarfen“, sagt Erik Hasse. Das sei ein normatives Ziel oder eine Idealvorstellung, auf die man hinarbeiten müsse, und zwar wir alle gemeinsam. Das Quartiersmanagement unternimmt viel, um diesem Ziel näher zu kommen: Mit kostenlosen Angeboten, die Teilhabe und Mitsprache ermöglichen; mit niedrigschwelligen Beteiligungsformaten, mit der Förderung von Nachbarschaftshilfe und Engagement und mit dem Sichtbarmachen der besonderen Herausforderungen.
Gesetze, führt Eva Thiel in ihrem Vortrag aus, können einen Rahmen für mehr Gerechtigkeit schaffen. Aber oft gäbe es auch Diskrepanzen zwischen Recht und Gerechtigkeit. Während das Recht feststünde und in geringem Maße Auslegung zulasse, sei der Begriff Gerechtigkeit undefiniert, und historisch und kulturell immer wieder unterschiedlich gedeutet worden. Das Recht könne den möglichen Interpretationen einen Rahmen setzen, z.B. würde der Artikel 3 des Grundgesetzes die Todesstrafe ausschließen. Innerhalb dieser Grenzen kann es aber verschiedene, auch widerstreitende Auffassungen geben, was gerecht ist. Daher sei es vielleicht besser, ein anderes Ziel zu definieren: das einer emanzipatorischen Gesellschaft, in der jede*r nach seinen Bedarfen leben kann.
Eines der Themen, das von vielen als ungerecht wahrgenommen wird, ist das Wohnen. Günstiger Wohnraum ist knapp, und oft stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Zwar sei das Mietrecht sehr progressiv, aber die Erfahrung zeige, dass sich sehr viele Vermieter*innen nicht an die Gesetze halten. Hier werden Mietervereine tätig. Wenn Einzelne in diesem Bereich strukturell benachteiligt werden, müsse die Stadt und der Staat tätig werden, bestätigt auch Erik Hasse. In Minden wurde deswegen das Bündnis für Wohnen ins Leben gerufen. Das Handlungskonzept Wohnen gibt zudem einen wichtigen Rahmen vor. Eva Thiel weist darauf hin, dass in Berlin eine Expertenkommission zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Wohnungsmarkt vergesellschaftet werden muss, um das Thema Wohnen gerechter zu gestalten.
In diese Debatten müssen und sollen auch Jugendliche mehr einbezogen werden. Der Diskurs, wie eine gerechte Stadt aussieht, sollte Thema in Schule und Vereinen sein. Im Quartier werden gerade Jugendliche in den Schulen befragt, um mehr über ihre Wertvorstellungen und Hintergründe zu erfahren. In anschließenden Workshops sollen gemeinsame Ideen für die Entwicklung des Quartiers erarbeitet werden. Dabei wird auch vermittelt, wie Mitbestimmung funktioniert. Ein Punkt, der auch Eva Thiel sehr wichtig ist: Denn Gesetze bilden immer nur den Status Quo ab. Wer möchte, dass die Gesetze besser werden, müsse sich organisieren, z.B. in Gewerkschaften, NGOs oder Parteien, und für mehr Gerechtigkeit kämpfen.
Einmal abgesehen von Detailfragen kommen alle vier Referent*innen zu einem ähnlichen Ergebnis: Wir müssen eine gemeinsame Vorstellung von einer gerechten Stadt entwickeln, in der alle Menschen unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung gut leben können. Diese Vorstellung ist ein Idealziel – und es ist an uns, zusammen darauf hinzuarbeiten.
Die Stadtstrategie Minden 2032 gibt dafür schon viele konkrete Wege vor – alle Bürger*innen sind eingeladen, sich mit Ideen und Projekten einzubringen.