Die Kämmerer der elf Städte und Gemeinden im Kreis Minden-Lübbecke haben erneut ihre Stimme gegen eine Erhöhung der Kreis-Umlage erhoben und wurden dabei auch sehr deutlich. Im Finanzausschuss des Kreises am Dienstag, 15. November, erhielten sie die Gelegenheit, die Interessen der Kommunen bezogen auf den Kreishaushaltsentwurf direkt vor der Kreispolitik zu vertreten.
Im Fokus der Kritik steht dabei vor allem die geplante Anhebung des Hebesatzes von 35,85 Prozent auf 36,46 Prozent im Haushaltsentwurf für 2023, aber auch die geplante massive Erhöhung der Umlagesätze ab 2024 und der Verzicht auf den Zugriff in die Ausgleichrücklage. Zudem müsse der Kreis aus Sicht der Kämmerer „sämtliche Möglichkeiten der Isolierung“ nach dem COVID-19-Ukraine-Isolierungsgesetz (NKF-CUIG) nutzen, um im Kreishaushalt einen Ausgleich zwischen Erträgen und Aufwendungen im Kreishaushalt zu erreichen.
Die Mehrbelastung in Höhe von insgesamt rund 14,8 Millionen Euro (der so genannte Mitnahmeeffekt in Höhe von 11,1 Millionen Euro und die zusätzliche Belastung über 3,7 Millionen) für alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Jahr 2023 stelle angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage nach fast drei Jahren Corona-Pandemie sowie nun einer Energie- und Finanzkrise mit deutlich höheren Zinsen eine „nicht hinnehmbare Belastung dar“, so die Kämmerer. Wenn sich Umlagegrundlagen erhöhen, erhöht sich das Gesamtvolumen der Kreisumlage automatisch – das ist der so genannte „Mitnahmeeffekt“, durch den sich für den Kreis - ohne Erhöhung des Umlagesatzes – bereits allein für 2023 zusätzliche Einnahmen in Höhe von 11,1 Millionen Euro ergeben.
Die Kämmerer der Stadt Minden, Norbert Kresse, der Gemeinde Stemwede, Dieter Lange, und der Stadt Espelkamp, Björn Horstmeier, trugen im Beisein fast aller anderen Kämmerer im Namen der elf kreisangehörigen Kommunen im Kreis-Finanzausschuss ihre Argumente vor, machten auf die eigene Situation aufmerksam, unterbreiteten aber auch konkrete Vorschläge, wie eine Hebesatzerhöhung vermieden werden kann.
Sie würden es „als sehr fair“ ansehen, wenn der Kreis zumindest einen Teil seiner Ausgleichsrücklage in Höhe von 41,8 Millionen Euro (+5,7 Millionen Euro aus dem prognostizierten Jahresergebnis von 2021) für die Kommunen einsetze, um damit auf eine Hebesatzerhöhung zu verzichten. Der Gesetzgeber habe diesen „Ausgleichsmechanismus im Haushaltsrecht verankert und das aus gutem Grund“, machte Kämmerer Dieter Lange (Stemwede) deutlich. Das Haushaltsrecht in NRW gelte für Kreise und Kommunen gleichermaßen. Es bestehe kein gesonderter Rechtsrahmen für Umlageverbände, lautete die klare Botschaft der Finanzexperten aus den Kommunen.
So sei die Annahme von Kreis und Kreispolitik, bei Umlageverbänden käme es durch einen Eingriff in die Ausgleichsrücklage - insbesondere im Finanzplan des Haushalts - zu weiteren Konsequenzen, die sich so in den Haushalten der Städte und Gemeinden nicht zeigen, „definitiv falsch“, so Lange weiter. Genau wie im Haushalt eines Umlageverbandes – wie der auch Kreis - führe der Eingriff in die Ausgleichrücklage bei den Kommunen zu einer verminderten Liquidität mit all den Auswirkungen, die dieses nach sich ziehe.
Der konkrete Vorschlag der Kämmerer ist, durch ein Aussetzen der vom Kreis jährlich vorgenommenen freiwillige Zuführung in den Versorgungsfonds für künftige Beamtenpensionen mehrere Millionen Euro an freier Liquidität zu gewinnen. Die Versorgungsrücklage des Kreises dürfte sich zum Ende des Jahres 2022 auf annähernd 30 Millionen Euro belaufen. „Jährlich sind hier vom Kreis 3 bis 4 Millionen Euro in den vergangenen Jahren in die Liquiditätsrücklage eingezahlt worden“, rechnete Kämmerer Björn Horstmeier (Espelkamp) vor.
Die Städte und Gemeinden in Minden-Lübbecke aber mussten in den vergangenen Jahren angesichts der angespannten Haushaltslage diese Zuführungen in den Versorgungsfonds „weitestgehend zurückfahren“, so Horstmeier weiter. Auch für die folgenden Jahre werden die Kommunen hierfür nur noch eingeschränkt Liquidität zur Verfügung haben, lautet seine Prognose. Durch ein Aussetzen der Zuführung zum Versorgungsfonds würde der Kreis im Planjahr 2023 über eine freie Liquidität in Höhe von 4,4 Millionen Euro verfügen. Diese könnte wiederum dafür eingesetzt werden, einen gleichbleibenden Hebesatz bei der allgemeinen Kreisumlage durch einen Eingriff in die Ausgleichsrücklage ohne Kreditaufnahme zu finanzieren. Die vom Kreis beabsichtigte Erhöhung des Hebesatzes wäre dadurch vermeidbar und würde die kreisangehörigen Kommunen um mindestens 3,7 Millionen Euro entlasten.
Wie es um die Haushalte der Kommunen im Kreis aktuell steht, machte Mindens Stadtkämmerer Norbert Kreise deutlich. So hatten in 2022 lediglich zwei von elf Kommunen einen strukturell ausgeglichenen Haushalt – das heißt konkret aus eigener Kraft. Nur noch fiktiv ausgeglichen waren die Haushalte in neun Kommunen durch Isolierungen von pandemiebedingten Ausgaben. „Das heißt, fast alle Kommunen mussten – neben der Corona-Isolation - ihre Ausgleichsrücklage in Anspruch nehmen“, so Kresse. „Wenn das kein Alarmsignal ist, was denn sonst?“, fragte er - gerichtet an die Ausschussmitglieder.
In der Mittelfristplanung für die Jahre 2023 bis 2026 der Städte und Gemeinden im Kreis gebe es allein für 2023 sich abzeichnende Fehlbedarfe – also Defizite – in Höhe von rund 34 Millionen Euro. Die aufsummierten Fehlbedarfe in der Finanzplanung bis 2026 betrügen summarisch - einschließlich der erwarteten Kreisumlage-Erhöhungen - ab 2024 mindestens 166 Millionen Euro und der sich daraus ergebene Verzehr der Ausgleichsrücklagen bis 2026 betrage summarisch rund 160 Millionen Euro, rechnete Norbert Kresse vor.
Dieses sei „dramatisch“, denn nicht alle Kommunen hätten in den vergangenen Jahren Rücklagen bilden können, die nun innerhalb weniger Jahre „aufgezehrt würden“ und viele dann vermutlich wieder in eine Haushaltsicherung bringen werde. Das gelte es durch Entlastungen seitens des Kreises zu verhindern. In diesem Zusammenhang unterstrich Kresse, dass neben der Umlageerhöhung für 2023 vor allem auch die angekündigten massiven Umlageerhöhungen ab 2024 zu einer „nicht beherrschbaren Belastung der Kommunen führen“. Eine Weiterbelastung an die Bürgerinnen und Bürger in Form von Grundsteuerhöhungen seien enge Grenzen gesetzt, auch angesichts der anstehenden Grundsteuerreform.
Alle drei Kämmerer bedankten sich zu Beginn des Tagesordnungspunktes für die Möglichkeit, nochmals zum Kreishaushalts-Entwurf für 2023 Stellung nehmen zu können. Positiv wurde auch gewertet, dass im Benehmensverfahren alle Vorstandsmitglieder des Kreises mit den Kämmerern in den Dialog getreten sind. „Das haben wir in der Vergangenheit schmerzlich vermisst und bewerten dieses als Zeichen der Wertschätzung für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden“, so Mindens Stadtkämmerer Norbert Kresse.
Alle Finanzverantwortlichen der kreisangehörigen Kommunen hatte sich bereits im Oktober 2022 mit einem gemeinsamen Schreiben an Kreisdirektorin Cornelia Schöder und Kreiskämmerer Jörg Schrader gewandt. Darin appellierten sie eindringlich an die Kreispolitik, den Hebesatz für die allgemeine Kreisumlage nicht zu erhöhen, sondern bei 35,85 Prozent zu belassen. Sie kritisierten darin auch einen „enormen Anstieg bei den Personal- und Versorgungsaufwendungen“ und sähen aktuell keine der angekündigten Einsparungen bei den SGB-II-Leistungen nach der Redelegation.
Sie attestierten dem Kreis in dem Schreiben weiter „Fehlanzeige bei strukturierten Konsolidierungsbemühungen“. Die dafür notwendige Aufgabenkritik finde „erkennbar leider immer noch nicht statt“. In der Kreispolitik war genau diese Aufgabenkritik zuletzt ebenfalls immer deutlicher eingefordert worden und soll nun auch auf den Weg gebracht werden.
In diesem Zusammenhang wird auch auf den Beschluss des Kreistages zur Finanzierung des Neubaus von zwei Krankenhäusern im Kreis Minden-Lübbecke verwiesen. Danach ist es Ziel, einen Betrag in Höhe von 1 Prozent des Kreishaushaltes durch Einsparungen zur Verfügung zu stellen, um die Belastung für die Städte und Gemeinden zu verringern. Bezogen auf das veranschlagte Ausgabevolumen des Kreishaushaltes für 2022 in Höhe von rund 583 Millionen Euro beträgt das nachhaltige Konsolidierungsziel mindestens rund 5,8 Millionen Euro jährlich, heißt es in dem Schreiben. „Stattdessen müssen wir feststellen, dass die ordentlichen Aufwendungen 2023 im Vergleich zum Vorjahr im Etat-Entwurf um über 58 Millionen Euro steigen sollen, stellen die Kämmerer abschließend fest.