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Jugendamt im Wandel der Zeiten – Stadt feiert 100-jähriges Bestehen mit einem Festakt


Das städtische Jugendamt feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen – bunt und fröhlich. Höhepunkte waren das große Familienfest an der Weser am 20. August und ein Festakt im Großen Rathaussaal. Neben Grußworten, einem Auftritt des Kabarettisten Harald Meves und einer moderierten Runde gab es ein buntes Programm, das auch Mindener Kinder und Jugendliche mitgestalteten. Einen riesen Applaus gab es unter anderem für die Kinder der städtischen Kita Hahlen für ihr Mitmachlied, bei dem alle im Saal aktiv mitmachten, und der Tanzeinlage der Mädchen von „Schmiedance“ aus dem Jugendhaus Alte Schmiede. Die Gäste „waren echt begeistert und hatten viel Spaß“ - wie im anschließenden, gemütlichen Teil oft zu hören war.

Und der Spaß begann schon mit dem ersten Auftritt des Moderatorenteams Eckhard Mohrmann (Jugendamtsleiter) und Susann Lewerenz (Pressesprecherin), die das Publikum im Stil der 1920er Jahre begrüßten - mit schwarzer Hose, weißem Hemd, Frack, Zylinder und Stock beziehungsweise mit Fransen-Paillettenkleid, Feder-Haarband und Federboa. Der große Saal war mit Luftballons, Bannern und Infotafeln geschmückt. Videos von und über Projekte der Kindertageseinrichtung und der Kinder- und Jugendarbeit wurden eingespielt, unter anderem  auch ein Beitrag, den der WDR aufgezeichnet hatte.

Genau am 23. August 1923 – so steht es in den Verwaltungsberichten der Stadt Minden, die im Kommunalarchiv aufbewahrt sind – wurde per Verfügung ein Jugendamt bei der Stadt Minden eingerichtet. „Die Gründung fiel in eine Ära, in der viele Frauen ihre Männer und viele Kinder ihre Väter im Ersten Weltkrieg verloren hatten oder die kriegsversehrt zurückkehrten. Zahlreiche Kinder wuchsen allein bei ihren Müttern auf“, erinnerte Bürgermeister Michael Jäcke in seinem Grußwort beim Festakt an die schweren Zeiten. Er nahm die rund 180 Gäste mit auf einen Streifzug durch „100 Jahre Jugendamt“.

Diese Geschichte war sehr bewegt und geprägt von vielen gesetzlichen Änderungen sowie immer wieder neuen Herausforderungen. „Das Jugendamt hat sich, wie die Gesellschaft und das Leben in den Familien weiter entwickelt und einen großen Wandel durchlaufen“, so Jäcke. Zum einen nannte er die Ansprüche an das, was eine „Behörde“ heute leisten muss - anders als vor 100 Jahren. Zum anderen hob er hervor, dass das Jugendamt heute überwiegend präventiv, begleitend und aufsuchend und nicht regulierend unterwegs sei. Es werde mit Empfehlungen und nicht mit Verboten gearbeitet, ergänzt der Bürgermeister.

Bezogen auf die erfolgreiche Jugendarbeit in Minden berichtete Jäcke, dass er selbst als Jugendlicher von den vielen Freizeitangeboten des Jugendrings profitiert habe. Später als Vater habe er dann abwechselnd mit seiner Frau in langen Schlangen vor den Jugendhäusern gestanden, um für die Töchter einen Platz bei den Ferienspielen „zu ergattern“. „Dafür musste man immer sehr früh aufstehen und Ausdauer beweisen“, erinnerte sich Jäcke. Lange Schlangen gibt es heute nicht mehr – das ist Geschichte. Die Anmeldungen für die Ferienspiele laufen jetzt ausschließlich online über das Internet-Portal „Unser Ferienprogramm“ unter www.minden.de .

Stand früher die eigentliche Jugendhilfe im Vordergrund der Arbeit, haben heute auch die Kinderbetreuung und die Jugendarbeit einen hohen Stellenwert, so Jäcke. Ferienspiele, fünf Jugendhäuser, Spielplatzarbeit, Kinder- und Jugendbeteiligung, Vermittlung von Kita-Plätzen - um all das kümmere sich das Jugendamt. Bei den „Frühen Hilfen“ sei die Stadt Minden Vorreiterin gewesen, so der Bürgermeister, der auch deutlich machte, dass Verwaltung und Mitarbeiter*innen, vermehrt Beschimpfungen - vor allem in den Sozialen Medien - ausgesetzt seien. Dabei werde täglich gute Arbeit geleistet und die vielen positiven Leistungen - auch im Jugendamt – fänden aber leider wenig Beachtung. „Das Jugendamt bietet den Mindener Familien seit 100 Jahren die gewünschte und notwendige Unterstützung an und hilft, Kindern und Jugendlichen, selbstbewusst, stark und sicher durchs Leben zu gehen", schloss Jäcke seine Rede.


Einen Blick auf die Gegenwart und in die Zukunft warf die Leiterin des Landesjugendamts in Münster, Birgit Westers. Seit dem 1. August 2015 ist sie die Jugend- und Schuldezernentin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe. In dieser Funktion leitet sie das Landesjugendamt sowie die Bereiche Schulen und die Koordinationsstelle Sucht. Die Herausforderungen seien riesig, „aber die Jugendämter sind ja krisenerprobt“, stellte sie fest und lobte die gute Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Stadt Minden. Trotz Krisenfestigkeit sei das Zusammenkommen verschiedener, eng aufeinanderfolgender Krisen wie Corona-Pandemie, Inflation und Ukraine-Krieg neu.

Schon jetzt wisse man, dass solche Krisen nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben werden. Auch darauf müssten sich Jugendämter in den kommenden Jahren einstellen. Herausforderungen stellten auch neue Gesetze und mit ihnen neue Aufgaben dar. Dafür brauche man in der Regel mehr Personal und das sei immer schwerer zu finden, so Birgit Westers weiter. Jede zehnte Kita in Nordrhein-Westfalen habe ihre Betreuung reduzieren müssen, weil Mitarbeitende fehlten, weiß die Landesjugendamtsleiterin. Angebote der stationären Jugendhilfe müssten wegen Personalmangels teils geschlossen werden. „Diese Probleme kann man nur gemeinschaftlich lösen“, so Westers abschließend.

An die Grußworte schloss sich Humoriges an, das Harald Meves (Ur-Ostwestfale) zum Besten gab. Er hielt den Anwesenden mit Anekdoten aus dem Alltag den Spiegel vor und „klabüserte auseinander“, was einen typischen Ostwestfalen denn so ausmacht: Er spricht nur das Nötigste, spart auch mit Gestiken und kommentiert stets trocken. Auch auf Eltern und aktuelle Erziehungsmethoden ging Meves augenzwinkernd ein. „Wer sich heute mit Mitte 30 ein Kind anschafft, braucht eine Bedienungsanleitung." In dem Alter habe man ja schon mindestens zehn Jahre als Erwachsener hinter sich - ohne Kind, stellte Meves fest. Einige Eltern seien auch mit Diskussionen ihrer vierjährigen Kinder vor dem Zubettgehen überfordert, die selbstverständlich mit guten Argumenten überzeugt werden müssen, schlafen gehen zu wollen. Abschließend hatte er noch ein ostwestfälisches Lob für das „Geburtstagskind“: "Mindener Jugendamt - da kannste nix von sagen!"

In der abschließenden moderierten Runde berichteten langjährige Wegbegleiter*innen aus Verwaltung und Politik von Wohlfahrtsverbänden und der Offenen Kinder- und Jugendarbeit über alte und neue Herausforderungen. Eine ausreichende Finanzierung der breitgefächerten Arbeit war immer ein Thema. Die Aussage der „immer knappen Mittel" habe sie die ganze Zeit begleitet, hob beispielsweise Elke Kehrer hervor. Sie war rund 29 Jahre Mitglied und 21 Jahre Vorsitzende im Jugendhilfeausschuss. Von Kämpfen um mehr Mittel und notwendiges Personal berichtete auch Dieter Wagner, der von 1993 bis 2009 das Jugendamt leitete. Zu Beginn habe es nur vier Sozialarbeiter im Sozialen Dienst gegeben, so Wagner. Durch Umstrukturierungen konnte das „glücklicherweise“ geändert werden.

Auch Erster Beigeordneter Peter Kienzle konnte auf „Hochs“ und „Tiefs“ in den vergangenen mehr als 20 Jahren zurückblicken. Hans-Jürgen Weber (Geschäftsführer Deutsches Rotes Kreuz) betonte besonders das Zusammenspiel der freien Träger der Jugendhilfe und dem Jugendamt. Friedrich Kasten, Geschäftsführer von "juenger unterwegs" und Vorsitzender des Jugendrings Minden-Lübbecke, warf einen positiven Blick auf die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen, die man auch mal „machen lassen sollte, was sie wollen“ – bei allem Verständnis für besorgte, und auf Sicherheit bedachte Eltern. „Kinder und Jugendliche brauchen Freiräume, um sich zu entwickeln. Nicht immer wissen wir genau, was gut für sie ist", so Kasten. Und weiter: „Die Generation, die heranwächst, hat riesiges Potenzial und wird uns überraschen."

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