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4. Bildungskonferenz: Akteure setzen sich mit Folgen von Armut auseinander


„Minden macht schon sehr viel, wenn es um gesundes Aufwachsen und Bildungsgerechtigkeit geht, aber da muss noch mehr passieren.“ Das war das Fazit der 4. Bildungskonferenz, zu der die Stadt Minden Akteurinnen und Akteure aus Schule, Kita, von Bildungsträgern sowie sozialen Einrichtungen in die PRIMUS-Schule eingeladen hatte. Die Konferenz findet alle zwei Jahre statt. Rund 150 Teilnehmer*innen wurden gezählt – ein Rekord. Am Ende gab es großes Lob von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das Input-Referat, die Informationen in den elf Workshops, die eingeladenen Experten und die abschließende Podiumsdiskussion und für die durchdachte Moderation vom früheren Bürgermeister und Schulentwicklungsplaner Michael Buhre.

Das Thema lautete dieses Mal: „Kindheit und Jugend heute – zwischen Armut, Bildung und Gerechtigkeit?“ Aktueller denn je. So wächst in Minden - nach dem am 18. Oktober im Jugendhilfeausschuss vorgestellten Sozialatlas - jedes vierte Kind/Jugendliche/r in einer Familie auf, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Bürgergeld). Minden belegt in NRW Platz 11 in dieser Statistik. Landesweit liegt die Kinder-Armutsquote bei 18,5 Prozent.

Die aktuelle Lage in Minden sprachen Bürgermeister Michael Jäcke, der Erste Beigeordnete Peter Kienzle und die Beigeordnete für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit, Stefanie Duensing, in ihren Grußworten an. „Wir wissen, dass die Quote hoch ist, können aber als Stadt nur bedingt reagieren und nicht an allen Stellschrauben drehen“, so Jäcke. Umso wichtiger sei es, sich mit den Folgen dieser Armut auseinanderzusetzen, weitere Angebote, Netzwerke sowie Begegnungs-Räume zu schaffen. Ziel müsse es insgesamt sein, weiter „Wege zu bereiten“ und Kindern eine gute Startchance ins Leben zu ermöglichen, stellte der Bürgermeister heraus.

Der Erste Beigeordnete Peter Kienzle – unter anderem verantwortlich für die Bereiche Jugend und Soziales – sprach die „AG Bildung“ an, die seit Jahren interdisziplinär am Thema der besseren Bildungschancen arbeite und auch die Bildungskonferenz organisiert.  Er ist zuversichtlich, „dass wir auch in Zukunft gemeinsam alles dafür tun werden, um den Kindern und Jugendlichen in unserer Stadt die bestmöglichen Bedingungen für ein gesundes Aufwachsen zu bieten“, so Kienzle. Zu den größten Risikogruppen zählten Arbeitslose, Alleinerziehende, Mehrkinderhaushalte und auch Familien mit Migrationshintergrund. Die Kinder würden dabei häufig in die Armutslage hineingeboren. Sie hätten kaum eine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, seien aber mit den erheblichen Folgen für ihre Entwicklung konfrontiert.

Die Beigeordnete Stefanie Duensing machte sich in ihrem Grußwort dafür stark, auch einen Perspektivwechsel zu wagen und sich in die Hoffnungen, Ziele und Bedarfe der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien hineinzuversetzen. Sie gilt es, als Expertinnen und Experten in die Planung weiterer Angebote und Strukturen einzubeziehen.

Dass es sehr schwierig ist, aus dem sozialen Umfeld und der Armutsspirale für Kinder und Jugendliche herauszukommen, machte die Politikwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin Gerda Holz (Bochum) in ihrem Input-Vortrag deutlich. Armut unterliege einer großen Gefahr der Verfestigung, so Holz. Armut sei gesellschaftlich bedingt, eine individuelle Lebenslage und das Ergebnis politischer Prozesse sowie deren Umsetzung. „Armut ist mehr als der Mangel an Geld“, so die Referentin. Denn es gebe nach wie vor auch große Unterschiede bei den sozialen und kulturellen Ressourcen.

Armut sei immer zuerst Einkommensarmut und damit eine Lebenslage, die die Spielräume einschränkt, die zur Unterversorgung und zu sozialer Ausgrenzung – zum Beispiel bei Lernmitteln, Ausflügen und auch Kleidung führt, so Holz. Das führe oft zu eingeschränkter sozialer Teilhabe bis hin zu sozialer Ausgrenzung. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushalts-Nettoeinkommens zur Verfügung hat.

Nach „ernüchternden“ Zahlen und Fakten präsentierte die Fachfrau aber auch Ansätze, wie der Armut begegnet werden kann. So sei erwiesen, dass Armutsprävention und frühestmögliche Förderung zwei entscheidenden Faktoren sind, um die Weichen anders zu stellen. An die Teilnehmer*innen gerichtet sprach sie auch die Sensibilität für Armut an. Es gelte, das Selbstbewusstsein der Schüler*innen zu stärken. Es gehe aber auch um Empathie, Wertschätzung und Respekt gegenüber armutsbetroffenen Menschen, darum, ihre Lebenslage, ihren Bedürfnisse und Bedarfe, Ressourcen und Bewältigungsstrategien zu verstehen, machte Holz abschließend deutlich.

Mit vielen Daten, Fakten und Lösungsansätzen versehen, gingen die 150 Teilnehmer*innen dann in die elf verschiedenen und gut besuchten Workshops, in denen es neben weiterem Input von Fachleuten und Informationen auch einen angeregten Austausch untereinander gab. Die Workshops hatten eine inhaltlich große Breite - von Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, über armutssensibles Handeln und Barrieren in Schulen und Kitas, bis hin zu „Sozialen Räumen in Städten“ und Informationen über Fördermöglichkeiten für Projekte und Maßnahmen. Der Workshop „Kultur macht stark“, der ausfallen musste, wird nachgeholt.

Zum Abschuss am Nachmittag stellten sich auf dem Podium die Beigeordnete für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit, Stefanie Duensing, Politikwissenschaftlerin Gerda Holz, Schulleiterin Katja Bensch (Sekundarschule) und Esther Scheuerle vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Fachberaterin „kinderstark – NRW schafft Chancen“) den Fragen von Moderator Michael Buhre. Im Fokus stand die Frage, wie und womit der Kinderarmut am besten begegnet werden kann.

Folgende Schwerpunkte für die weitere Arbeit wurden genannt: die individuelle Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen stärken, kulturelle Bildung anbieten, Talente fördern, finanzielle Ungleichheiten ausgleichen (zum Beispiel mit dem Programm „Bildung und Teilhabe), Sportangebote, Eltern mitnehmen, Schulsozialarbeit, weniger Bürokratie und Perspektivenwechsel. Insgesamt sei Bildungsgerechtigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, waren sich die Podiumsgäste einig. Gerda Holz meint, dass der Weg weg von der Individualisierung hin wieder zu einer Gesellschaft, in der gemeinschaftlich gedacht und gehandelt werde, eine Voraussetzung für mehr Chancengleichheit sei.

Die Ergebnisse der Bildungskonferenz werden weiter von den vielen Anwesenden der Mindener Bildungslandschaft und der verwaltungsinternen „AG Bildung“ bearbeitet, die auch für Organisation verantwortlich zeichnete. „Ich bin aber sicher, dass alle Teilnehmenden hier viel mitgenommen haben und ihre Erkenntnisse auch aktiv in der praktischen Arbeit umsetzen werden“, zeigte sich die Beigeordnete Stefanie Duensing zuversichtlich.

Unter der Homepage www.bildung-minden.de wurden im Vorfeld Informationen bereitgestellt. Es gab auch einen Live-Stream am 21. Oktober, womit Teile der Veranstaltung online von zu Hause aus verfolgt werden konnten. Auf der Seite wird zeitnah die Dokumentation zur Bildungskonferenz abrufbar sein – insbesondere Präsentationen aus den Workshops, so die Bildungsplaner Tobias Haring und Hannah Fröhlingsdorf.

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