Mit aktuellen Themen sowie Fahrradstraßen, Sofortmaßnahmen für den ruhenden Verkehr, Verkehrsberuhigung und der Aktion „fahrRad“ beschäftigten sich jetzt rund 35 Fachleute/Verkehrsplaner*innen aus Stadtverwaltungen in Nordrhein-Westfalen bei ihrem jüngsten Treffen. Die Stadt Minden war in der vergangenen Woche Gastgeberin für den Facharbeitskreis der „Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V.“ (AGFS). Minden ist in der AG bereits seit 1996 Mitglied und damit eine „Fahrradfreundliche Stadt“ in Nordrhein-Westfalen.
Der Leiter des Bereiches Verkehr, Gunnar Kelb, begrüßte die Gruppe am 20. Juni im neuen Tagungsbereich des Rathauses. Im ersten Teil der Sitzung wurde über eine laufende Umsetzungsinitiative der Arbeitsgemeinschaft informiert, bei der es um schnell umsetzbare Maßnahmen und Übergangslösungen - insbesondere Sofortmaßnahmen für den ruhenden Verkehr und Verkehrsversuche - ging. Im Folgenden wurde die neue AGFS-Kampagne zu Fahrradstraßen vorgestellt.
Ganz aktuell konnte der Bereich Verkehr der Stadt Minden den Teilnehmenden nach der Mittagspause eine Sofortmaßnahme zur Verkehrsberuhigung vor Ort vorstellen: den noch bis zum 7. August laufenden Verkehrsversuch in der Hufschmiede und im Einmündungsbereich der Hahler Straße. Dieser hat zum Ziel, den Durchgangsverkehr zu reduzieren und den gastronomischen Betrieben im Bereich von Parkbuchten attraktive Flächen mit Sitzmöbeln und Blumenkübeln zur Verfügung zu stellen.
Der Versuch Hufschmiede ist „ergebnisoffen“. Er solle beispielsweise zeigen, ob etwa ein Kompromiss möglich ist: etwas weniger Verkehr und Parken, dafür etwas mehr Leben, von der die Geschäfte und die Gastronomie profitieren sollen, so Projektleiter Volker Kroppenstedt. Die steilere Straße in der Oberen Altstadt befindet sich schon länger innerhalb eines „verkehrsberuhigten Bereichs“, das bedeutet für alle Verkehrsteilnehmer*innen Schrittgeschwindigkeit, also maximal 7 km/h. In einer verkehrsberuhigten Zone sind Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und Fahrzeuge gleichberechtigt.
Die Hufschmiede ist eine Einbahnstraße. Radfahrer*innen dürfen die Straße auch entgegen der Fahrtrichtung befahren. Gleich mehrere Male konnten die Teilnehmer*innen des Arbeitskreis-Treffens live beobachten, wie Autofahrer*innen die vorgeschriebene Fahrtrichtung missachteten. Denn von der Hufschmiede ist es nur erlaubt, nach links oder rechts auf die Kampstraße abzubiegen – nicht aber auf die Hahler Straße. Sogleich gab es von den Fachleuten Lösungsvorschläge, wie den, die Einbahnstraßen-Richtung in der Hahler Straße umzudrehen, um so auch viel Verkehr aus der Hufschmiede herauszunehmen. Denn der „Schleichweg“ wird gerne von „Eltern-Taxis“ für den Weg zu den Schulen in der Innenstadt und zurück genutzt, wissen die Mindener Kollegen.
Gesprochen wurde bei dem jüngsten Treffen auch über die ins Stocken geratene Mobilitätswende. Denn in vielen Städten und Gemeinden stagniert der Ausbau der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur. Gründe dafür seien nicht nur knappe finanzielle und personelle Ressourcen, sondern auch kritische Stimmen, die am Status quo festhalten möchten. Doch gerade die Kritiker*innen ließen sich von den Vorzügen alternativer Mobilitätsangebote einfacher überzeugen, wenn sie erlebbar und erfahrbar wären, meint der Facharbeitskreis. Dafür brauche es gerade beim Rad- und Fußverkehr meist keine teuren und aufwendigen Maßnahmen. Kommunen könnten schon mit einfachen Mitteln ein sicheres und lückenloses Wegenetz für alle Verkehrsteilnehmer*innen bereitstellen und damit gleichzeitig die Lebensqualität vor Ort erhöhen.
„Die AGFS NRW möchte mit der Umsetzungsinitiative das Zufußgehen und das Radfahren trotz knapper finanzieller und personeller Ressourcen schnell für viele Menschen erlebbar machen“, erläutert Gunnar Kelb. Demnach habe der Lückenschluss die höchste Priorität. Sofortmaßnahmen und Übergangslösungen seien dabei wichtige Bausteine und sollen zu einer kurzfristigen Realisierung von zusammenhängenden, sicheren, komfortablen, erlebbaren Netzen der Nahmobilität führen. Die Straßenverkehrs-Ordnung, die Regelwerke und die Planungspraxis ermöglichten eine Vielzahl solcher Maßnahmen.
„Diesen Weg ist auch Minden gegangen, um einen neuralgischen Gefahrenpunkt zu beseitigen“, so Kelb. Die denkmalgeschützte Unterführung an der Viktoriastraße in Bahnhofsnähe ist die einzige Rad- und Fußverkehrsverbindung für die 15.000 Einwohner*innen des Stadtbezirks östlich der Weser mit dem Zentrum sowie den weiterführenden Schulen. 49 Unfälle ereigneten sich zwischen 2018 und 2022 an diesem Nadelöhr. Eltern brachten ihre Kinder deshalb lieber mit dem Auto zur Schule. Die sichere Gestaltung des Schulwegs war ein wichtiger Aspekt für die Politik, das Problem schnell anzugehen.
Unklare Zuständigkeiten und schwierige bauliche Verhältnisse machen aber die schnelle Umsetzung des eigentlich angestrebten Kreisverkehrs unrealistisch. Die dringend notwendige Deckensanierung der Viktoriastraße im Bereich der Unterführung nutzte die Stadt deshalb, um den Verkehrsraum mit Markierungen und einer „Protected Bike Lane“ vorübergehend neu aufzuteilen - mit Erfolg. Eine Zwischenauswertung zeige eine signifikante Reduktion der Unfallzahlen und das Feedback der Bürger*innen sei größtenteils positiv – auch unter den Eltern der Schulkinder. Mit dem Einsatz von rund 250.000 Euro wurde ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis erreicht, meint Gunnar Kelb.
Informationen zum Facharbeitskreis
Im Facharbeitskreis treffen sich mehrmals im Jahr die Projektleiterinnen und Projektleiter aus den Mitgliedskommunen der AGFS NRW. In Vorträgen und Workshops werden einzelne Themen aufgearbeitet und vertieft, kommunale Fragestellungen vorgestellt und intensiv über Problemlösungen diskutiert. Aus diesem Kreis rekrutieren sich auch die Mitglieder weiterer thematischer Arbeitskreise, die bei Bedarf gegründet werden.
Über die AGFS NRW
Die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e.V. (AGFS NRW) setzt sich seit 1993 für die Förderung aktiver Mobilität ein. Die Stadt Minden ist 1996 beigetreten. Die Mitgliedschaft wird alle sieben Jahre verlängert, wenn stetig Maßnahmen zur Verbesserung der Nahmobilität umgesetzt werden – in Minden war dieses zuletzt im Jahr 2022 der Fall.
Die Mitglieder sollen beweisen, dass sie aktiv und kontinuierlich daran arbeiten, „zukunftsfähige, belebte und wohnliche Städte“ zu gestalten. Nur Kommunen, die den Kriterien der AGFS weiterhin gerecht werden, bleiben Teil der Arbeitsgemeinschaft und profitieren weiter von den Vorteilen einer Mitgliedschaft. Aktuell arbeiten 94 Städte beziehungsweise Kreise in NRW an den Zielen.
Die Basis für die Förderung bildet eine sichere, durchgängige und komfortable Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr. Bei deren Umsetzung unterstützt der kommunale Verein seine mehr als 100 Mitglieder mit Fachinformationen, Beratungsangeboten, Kampagnen sowie Aktionen und bietet ihnen die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch. Als Sprachrohr vertritt die AGFS NRW die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Landes- und Bundespolitik und steht zudem im intensiven Austausch mit Akteur*innen der Wirtschaft, der Wissenschaft und anderen Verbänden.