Pressestelle

Buttjersprache wird immaterielles Kulturerbe


„Latscho, da haste Dich aber ne tobiffte Schmese an“. Diesen Satz werden einige Mindener*innen verstehen können. Es ist nämlich Buttjersprache. Übersetzt heißt der Satz: „Junge, Du trägst aber einen tollen Anzug“. Die Mindener Buttjersprache, die früher in der Altstadt verbreitet war, ist nun als immaterielles Kulturerbe anerkannt worden. Dem Bescheid des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zufolge werden die so genannten Rotwelsch-Dialekte „als Träger kultureller Ausdrucksformen in der Gegenwart in das Landesinventar eingetragen“ nun auch für die Bundesliste vorgeschlagen.

Das teilte jetzt der Sprachwissenschaftler Klaus Siewert, Vorsitzender und Gründer der Internationalen Gesellschaft für Sondersprachenforschung (IGS),  Münster, offiziell mit. Auch Bürgermeister Michael Jäcke erhielt eine Mail mit der erfreulichen Nachricht über die Auszeichnung.

Der Lerbecker Siewert hatte beantragt, dass die historischen Geheimsprachen in Nordrhein-Westfalen als immaterielles Kulturerbe anerkannt werden sollen, darunter die Münstersche Masematte, das Humpisch der Tiötten im Tecklenburger Land und die Mindener Buttjersprache. Diese ist um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Minden – oder vielleicht auch schon früher – entstanden. In der Oberen Altstadt wurde die Geheimsprache von den dort ansässigen Roma und Sinti gesprochen, in der Fischerstadt von den Hafenarbeitern, Schiffern und Fischern.

Das fachwissenschaftlich substantiierte Antragswerk, das Siewert unter dem Titel „Rotwelsch-Dialekte als Träger kultureller Ausdrucksformen" in nur drei Monaten geschaffen und im Herbst 2023 eingereicht hat, ist von der zuständigen Landesjury für das Immaterielle Kulturerbe angenommen und als „rundum gelungen" gewürdigt worden. Eine offizielle Urkundenübergabe soll in der zweiten Jahreshälfte in Düsseldorf erfolgen.

Über die Anerkennung freut sich Sprachwissenschaftler Klaus Siewert ganz besonders, denn er hat auch eine sehr persönliche Beziehung zur Buttjersprache: Als er zum Besselgymnasium nach Minden wechselte, ermahnte ihn seine Oma, bloß nicht in die Fischerstadt zu gehen. Wie bei jedem Heranwachsenden weckte das erst recht die Neugier. Bei Käpt’n Eta ist er zum ersten Mal auf Begriffe aus der Buttjersprache gestoßen. In der Mindener Oberstadt und der Fischerstadt ist bis heute ein Restwortschatz der Buttjersprache vorhanden.

Dem Erfolg des Begehrens stand vor allem eine UNESCO-Konvention, der zufolge „Sprachen" nicht als immaterielles Kulturerbe anerkannt werden können, im Wege, berichtet Sievert. Und weiter: „Mit der in meinem Antrag verankerten Definition der Rotwelsch-Dialekte als ,konstruierte kommunikative Kunstformen‘ war dann der Weg aber gebahnt.“ Anders als natürliche Sprachen, die im besten Fall gelungene Verständigung von Menschen gewährleisten, verfolgten Sprecher*innen von Rotwelsch-Dialekte in früheren Zeiten – geradezu umgekehrt – den Zweck der kommunikativen Ausgrenzung, Zuhörer sollten also vom Verstehen des Gesagten ausgeschlossen werden, so Klaus Siewert.

Die dazu erforderlichen Mittel waren die Einflechtung von unverständlichen Wörtern, etwa aus dem Westjiddischen oder dem Romani, in den Text. Dokumentiert worden sind diese Tarnwörter in dem von Siewert und seinem Forschungsteam 2023 vorgelegten Werk „Wörterbuch deutscher Geheimsprachen: Rotwelsch-Dialekte" in ca. 30.000 Artikeln.

Mit der Bewilligung des Antrags verbindet sich nun das Recht des Antragstellers, das Logo „Immaterielles Kulturerbe"/Inventar NRW an die um die Pflege und Fortführung des kulturellen Erbes bemühten Trägergruppen zu verleihen. Ab 2025 verleiht die IGS den von Siewert erfundenen Preis für die "Beste innovative Aktionsform zum Erhalt der Kulturform Rotwelsch Dialekte". Die Auszeichnung dient der Entwicklung neuer Aktionsformen und wird erstmals auf dem XIV. „Internationalen Symposien Sondersprachenforschung" in Münster 2025 überreicht.


Kontakt

Keine Mitarbeitende gefunden.