„Eine für alle begehbare Innenstadt schaffen“
Es tut sich was in der Mindener Innenstadt, dass so manchem
Passanten ein Rätsel aufgibt. So sind Flächen des Altstadtpflasters in der
Simeonstraße und nun auch in der Ritterstraße mit glatten Steinen gepflastert
worden. Hier und dort setzen sich die neuen, gelb-rot-grauen Flächen von dem
alten Natursteinpflaster ab. Und dafür gibt es eine einfache Erklärung: „Wir
wollen die Innenstadt für alle Menschen begehbar machen“, fasst Lars Bursian,
Beigeordneter für Städtebau und Feuerschutz, zusammen. Diese und auch weitere
Maßnahmen, die zu 80 Prozent vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert werden,
stehen für die „sukzessive Umsetzung“ des Barriereatlas‘.
Die Stadt Minden und die Städtischen Betriebe Minden verbessern mit der
laufenden Baumaßnahme zum einen die Barrierefreiheit in der Innenstadt. Ein
weiterer Grund: Es werden damit auch Verkehrsbeziehungen hergestellt und
Vorrangrouten aufgezeigt. Was das bedeutet, erklärt Eckhard Rüter, Vorsitzendes
Beirates für Menschen mit Behinderungen, bei einem Rundgang: Die Simeonstraße
zum Beispiel ist der Zubringer vom Dreiecksplatz über die Obermarktstraße zur
Innenstadt. Die Gehwege sind hier sehr schmal, es gibt Regenrinnen sowie
unebenes, breitfugiges Großpflaster – alles nicht barrierefrei. Das rief nach
Verbesserung und war ein Hindernis für alle Menschen.
Eine weitere Verbindung führt
von der Innenstadt über die Obermarktstraße weiter über den „Trockenhof“ in die
Obere Altstadt, die bis vor rund einem Jahr lang barrierefrei nicht erreichbar
war. Nun gibt es im „Trockenhof“ ein neues Pflaster insgesamt und neu auch im
Übergang zur Ritterstraße. Die schmale Straße hat jetzt weniger Steigung als
vorher, eine ebene Fläche und Sitzgelegenheiten. Die im Barriereatlas
beschriebene Route setzt sich schließlich fort in der Ritterstraße. Die
Königstraße wird hier über eine barrierefreie Verbindung „angeschlossen“, indem
es über den Petrikirchweg ebenfalls das neue Altstadtpflaster und einen
insgesamt breiteren Gehweg geben wird.
In Richtung Museum wird gerade ein Überweg an der Einmündung „Papenmarkt“
gepflastert. Das soll unter anderem auch die Erreichbarkeit des Mindener
Museums für Menschen mit Behinderungen und Fußgänger verbessern. Gleiches gilt
für den kleinen Platz vor dem "Café Zeitlos" (früheres Puppenmuseum) und den
Einmündungsbereich der Ritterstraße vom Martinikirchhof, die beide schon fertig
sind. Auch hier gibt es nun „Wegebeziehungen“ und mehr Barrierefreiheit.
Fertig ist ebenfalls der neu gepflasterte Bereich in der Simeonstraße. Dieser
ist nun ebenerdig. „Die Kante zum sehr schmalen Gehsteig ist weggefallen und
ein bisheriger Engpass damit nun leichter für alle Menschen passierbar“,
erklärt Eckhard Rüter. Von der hergestellten Barrierefreiheit profitierten
nämlich sehr viele Menschen und nicht nur Rollstuhlfahrer, Menschen mit
kognitiven Einschränkungen oder Behinderungen, an die oft zuerst gedacht werde.
Das neue Pflaster bringt auch Erleichterungen für ältere Menschen mit
Rollatoren, junge Familien mit Kinderwagen und überhaupt für Bürger*innen, die
„nicht so gut Fuß sind“.
Die „neue Fußgängerfreundlichkeit“ zeige sich nicht nur in dem bei Regen
rutschfesten, neuen Pflaster, sondern auch mit mehr Platz für Passanten
insgesamt, macht Beigeordneter Peter Wansing, Leiter der Städtischen Betriebe
Minden (SBM), deutlich. So soll in einem Teilbereich der Ritterstraße -
zwischen Petrikirchweg und Königstraße - der Gehweg auf einer Seite verbreitert
werden. Dafür müssen allerdings einige Parkflächen wegfallen. „Vor solchen
Maßnahmen findet immer auch eine Abwägung statt“, erläutert Lars Bursian.
Barrierefreiheit erfordere gelegentlich „Opfer“. In diesem Fall fiel die
Entscheidung pro Fußgänger und gegen Autofahrer aus.
Warum sieht das neue Pflaster anderes aus, als das alte? Diese Frage wurde an
Torsten Euler von der Verkehrsbehörde der Stadt Minden schon häufiger in den
vergangenen Wochen gestellt. Die Erklärung lautet: Es sollte sich bewusst von
den alten Natursteinen absetzen, aber dennoch ähnlich und natürlich eben sein.
Und: Es ist wegen der kleineren Steine flexibel einsetzbar und durch die
Vielfarbigkeit nachhaltig verwendbar. Sollte es dieses Muster irgendwann nicht
mehr geben, kann es leicht nachgebildet werden. Ausgewählt haben den Stein die
SBM und die Verkehrsbehörde im Fachbereich Städtebau und Feuerschutz.
„Das neue Pflaster gibt es bewusst nur in Teilbereichen“, streicht Bursian
heraus. Die oft „ruckeligen“ und in den Fugen ausgewaschenen Altstadtstraßen
komplett neu zu gestalten, sei nicht geplant, so der Beigeordnete. Der
Charakter der in den 1980er Jahren gepflasterten Straßen solle insgesamt
beibehalten werden. Dass diese – ob ihrer Unebenheit - eine echte
Herausforderung nicht nur für Fußgänger und Radfahrer darstellen, ist lange
bekannt. Deshalb habe man sich im Rahmen der Erstellung des Barriereatlas‘ 2014
auch Gedanken gemacht, wie diese „Barrieren“ überwunden werden können, ohne
gleich alles neu zu machen, so Eckhard Rüter.
Der Beiratsvorsitzende sowie die Beigeordneten Lars Bursian und Peter Wansing
hoffen mit der Fertigstellung dieser Maßnahme, dass sich wieder mehr Menschen
„auf den Weg“ zu Fuß in die Altstadt machen als bisher. Und auch Radfahrer
haben mit dem neuen Pflaster Vorteile. Sie dürfen nämlich in einer Spielstraße
wie die Ritterstraße und die Simeonstraße (=verkehrsberuhigte Zone) alle
Bereiche langsam befahren – auch die Gehwege.
Informationen zum Barriereatlas
Der im April 2015 veröffentlichte Barriereatlas ist das Ergebnis mehrjähriger
intensiver Arbeit und das Ergebnis von gelebter, aktiver Bürgerbeteiligung in
Minden. Nicht nur Politik, Verwaltung und zwei Planungsbüros haben sich
eingebracht, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger sowie die Mitglieder des
Beirates für Menschen mit Behinderungen. Allen ist es gelungen, für eine
schwierige Problematik – vor allem bedingt durch die immensen Höhenunterschiede
zwischen unterer und oberer Altstadt – Lösungen zu finden und zu erarbeiten.
Der Barriereatlas enthält verschiedene Maßnahmen, die nach und nach
umsetzt worden sind oder noch werden. Ein großes Projekt war die Neugestaltung
der Fußgängerzone, die unter anderem eben gepflastert und mit taktilen
Leitlinien ausgestattet wurde. Diese Bereiche sind grundsätzlich frei zu halten
- von Werbeträgern, Tischen und Stühlen.
Hintergrund für den Barriereatlas für Minden, der vom Land NRW aus dem Programm
„Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ gefördert wird, ist das „Integrierte
Handlungskonzept (2009-2017)“, das vorsieht, eine weitgehende Barrierefreiheit
für die gesamte historische Innenstadt zu erreichen. Das große Ziel ist es, die
Stadt Minden für alle Menschen erreichbar zu machen. Dazu gehören auch die
Barrierefreiheit von öffentlichen beziehungsweise halböffentlichen Gebäuden
sowie auch die barrierefreie Zugänglichkeit des öffentlichen
Personennahverkehrs.
Pressestelle der Stadt Minden, Susann Lewerenz, Telefon 0571 89204,